Bleileitungen als verschwiegenes Risiko: LG Lübeck verurteilt Immobilienverkäufer zu Schadensersatz

Der Fall: Verkauf einer Wohnanlage mit 36 Einheiten
Ein Verkäufer veräußerte in Lübeck eine Immobilie mit 36 überwiegend vermieteten Wohneinheiten. Nach dem Kauf ließ die Käuferin die Trinkwasserleitungen untersuchen, mit alarmierendem Ergebnis: In mehreren Wohnungen lagen die gemessenen Bleigehalte im Trinkwasser oberhalb der zulässigen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung.
Einige Mieter erklärten daraufhin Mietminderungen. Die Käuferin forderte vom Verkäufer die Erstattung der Mietausfälle und Ersatz für künftige Schäden, insbesondere die Sanierungskosten, die auf mehr als 200.000 Euro veranschlagt wurden. Der Verkäufer wies die Forderungen zurück. Er habe von den Bleileitungen nichts gewusst und machte geltend, das Blei stamme möglicherweise aus Leitungen des Wasserversorgers.
Die Entscheidung: Aufklärungspflicht verletzt
Das Landgericht Lübeck folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte fest:
- Bleileitungen sind ein Mangel: Trinkwasserleitungen aus Blei seien gesundheitsschädlich und stellen daher einen wesentlichen Mangel der Kaufsache dar (§ 434 BGB in der damals geltenden Fassung).
- Aufklärungspflicht des Verkäufers: Über derart schwerwiegende Mängel müsse der Verkäufer den Käufer ungefragt informieren.
- Arglistige Täuschung: Nach Zeugenaussagen und widersprüchlichen Angaben des Verkäufers kam das Gericht zu dem Schluss, dass er von den Bleileitungen und den überschrittenen Grenzwerten wusste. Das bewusste Verschweigen wertete das LG als arglistige Täuschung durch Unterlassen (§ 123 BGB).
Der Verkäufer wurde deshalb verurteilt,
- die Mietausfälle aufgrund der von den Mietern erklärten Mietminderungen,
- die voraussichtlichen Sanierungskosten für den Austausch der Leitungen sowie
- weitere mögliche Folgeschäden zu ersetzen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung unterstreicht:
- Aufklärungspflicht beim Immobilienverkauf: Verkäufer müssen über verborgene, aber wesentliche Mängel wie Bleileitungen von sich aus informieren. Ein bloßes Schweigen kann Schadensersatzansprüche auslösen.
- Arglist durch Unterlassen: Wer bekannte Risiken verschweigt, haftet für alle daraus entstehenden Schäden – auch für Mietausfälle und hohe Sanierungskosten.
- Relevanz für Vermieter: Schon aus Sicht der Mieter stellen erhöhte Bleigehalte im Trinkwasser einen Mangel der Mietsache dar, der zur Mietminderung berechtigt (§ 536 BGB).
Fazit
Das Landgericht Lübeck macht mit seinem Urteil deutlich: Bleileitungen sind ein offenbarungspflichtiger Mangel. Verkäufer riskieren erhebliche Schadensersatzforderungen, wenn sie diese Tatsache verschweigen. Für Käufer von Mehrfamilienhäusern empfiehlt sich daher eine gründliche technische Untersuchung, insbesondere der Trinkwasserinstallationen, vor Vertragsabschluss.
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