Keine Abkürzung bei Mieterhöhungen – Vergleichsmiete nicht im selbstständigen Beweisverfahren feststellbar

Symbolbild
Hintergrund: Streit um Mieterhöhung in Berlin
Die Entscheidung geht auf einen Streit zwischen Berliner Vermietern und ihrem Mieter zurück. Die Vermieter verlangten Ende 2023 die Zustimmung zu einer Mieterhöhung. Der Mieter lehnte dies ab und stellte die vom Vermieter geltend gemachten wohnwerterhöhenden Merkmale in Frage.
Daraufhin beantragten die Vermieter beim Amtsgericht Charlottenburg ein Sachverständigengutachten in einem selbstständigen Beweisverfahren – zu insgesamt 18 Fragen über Zustand und Ausstattung der Wohnung. Amts- und Landgericht wiesen den Antrag als unzulässig zurück (AG Charlottenburg, Beschluss v. 15.08.2024 – 206 H 2/24; LG Berlin II, Beschluss v. 23.10.2024 – 64 T 71/24). Der BGH bestätigte nun diese Entscheidungen.
Warum das Beweisverfahren nicht passt
Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kann ein selbstständiges Beweisverfahren durchgeführt werden, wenn eine Partei ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Zustands oder Werts einer Sache hat, insbesondere zur Vermeidung eines Rechtsstreits. Dieses „rechtliche Interesse“ verneinte der BGH jedoch für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete und der dazugehörigen Wohnwertmerkmale.
Ein solches Verfahren würde die Schutzmechanismen des Mieterhöhungsrechts umgehen:
- Fristenregelung: Nach § 558 Abs. 1 BGB darf die Miete nur erhöht werden, wenn sie seit 15 Monaten unverändert ist und mindestens ein Jahr seit der letzten Erhöhung vergangen ist.
- Begründungspflicht: Nach § 558a BGB muss das Erhöhungsverlangen schriftlich begründet werden, etwa durch Mietspiegel, Vergleichswohnungen oder ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
- Überlegungsfrist: Dem Mieter steht gemäß § 558b Abs. 2 BGB eine Frist bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats zu, um zu prüfen, ob er der Erhöhung zustimmt. Erst danach kann der Vermieter ggf. Klage erheben.
Ein selbstständiges Beweisverfahren würde diese Systematik aushebeln: Der Mieter müsste sich bereits vor Ablauf der gesetzlichen Fristen mit einem Gutachten auseinandersetzen und Einwände erheben, andernfalls drohte ihm ein Ausschluss im späteren Prozess. Das widerspricht dem gesetzgeberischen Ziel, Mieter vor übereilten Entscheidungen zu schützen.
Kostenfrage und gesetzgeberische Intention
Hinzu kommt: Bei einem selbstständigen Beweisverfahren könnten die Gutachtenkosten auf den Mieter abgewälzt werden. Im normalen Mieterhöhungsverfahren trägt der Vermieter hingegen die Kosten für ein Gutachten selbst, wenn er dieses zur Begründung seines Erhöhungsverlangens nutzt.
Der BGH betont, dass das in den §§ 558 ff. BGB ausgestaltete Verfahren bereits alle notwendigen Mechanismen enthält, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Vermieter können die Wohnung gemeinsam mit einem Sachverständigen besichtigen, sich auf qualifizierte Mietspiegel stützen oder ein Gutachten beauftragen, ohne den Weg über ein selbstständiges Beweisverfahren.
Bedeutung der Entscheidung
Mit dem Beschluss stärkt der BGH die klare Trennung zwischen dem besonderen Verfahren der Mieterhöhung nach dem BGB und der allgemeinen Möglichkeit eines selbstständigen Beweisverfahrens nach der ZPO. Für die Praxis bedeutet dies:
- Vermieter können die ortsübliche Vergleichsmiete nicht vorsorglich gerichtlich feststellen lassen.
- Streitfragen zu Wohnwertmerkmalen sind erst im Rahmen eines konkreten Mieterhöhungsverfahrens zu klären.
- Mieter profitieren von den Schutzfristen und der Kostenverteilung, die der Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen hat.
Damit bestätigt der BGH die bislang überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur und sorgt für Rechtssicherheit im sensiblen Bereich des Mieterhöhungsrechts.
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