Kinderwagengarage auf Gemeinschaftsfläche: Keine bauliche Veränderung, sondern zulässige Nutzung

Der Streitfall
In einer Eigentümerversammlung wurde beschlossen, für zwei Jahre eine „Kinderwagengarage“ mit den Maßen 1,20 Meter Breite, 2,00 Meter Tiefe und 1,35 Meter Höhe auf einer Fläche des Gemeinschaftseigentums aufzustellen. Der Standort war die einzige barrierefreie Fläche, die für einen Doppelkinderwagen geeignet war.
Einige Miteigentümer, die im Erdgeschoss eine Gewerbeeinheit verpachtet hatten, fühlten sich durch die Garage beeinträchtigt, da sie von deren Fenster aus sichtbar war. Sie fochten den Beschluss an und argumentierten, die Aufstellung sei eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Amtsgericht stellte klar, dass eine bauliche Veränderung im Sinne von § 20 Abs. 1 WEG eine auf Dauer angelegte Maßnahme an den realen Teilen des Gemeinschaftseigentums voraussetzt. Bleibe die bauliche Substanz unangetastet, handele es sich lediglich um eine Regelung des Gebrauchs (§ 19 Abs. 1 WEG).
Im vorliegenden Fall sei die Kinderwagengarage nicht fest mit dem Boden verbunden, sondern ruhe allein aufgrund ihres Eigengewichts auf der Fläche. Zudem sei die Nutzung ausdrücklich auf zwei Jahre befristet. Damit handle es sich nicht um eine auf Dauer angelegte Maßnahme, sondern lediglich um eine zulässige Gebrauchsregelung.
Einzelfallabwägung und Rücksichtnahme
Das Gericht betonte, dass bei Gebrauchsregelungen stets eine umfassende Einzelfallbetrachtung vorzunehmen ist. Maßgeblich sei die „goldene Grundregel“ gegenseitiger Rücksichtnahme: Die Interessen der Eltern an einer barrierefreien Abstellmöglichkeit für den Kinderwagen überwögen in diesem Fall die rein subjektiven Beeinträchtigungsgefühle der klagenden Miteigentümer.
Konkret stellte das Gericht fest:
- Die Kinderwagengarage verdecke lediglich einen kleinen Teil des Fensters der betroffenen Gewerbeeinheit und verdunkele den Raum nur unerheblich.
- Bei dem betroffenen Raum handele es sich laut Aufstellungsplan um einen „Leergut-Raum“, dessen Beeinträchtigung als gering einzustufen sei.
- Da es sich um die einzige barrierefreie Abstellmöglichkeit handele, wiege das Interesse der Eltern besonders schwer.
Damit sei der Beschluss nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch mit Blick auf den Hausfrieden und das geordnete Zusammenleben angemessen.
Vergleichbare Entscheidungen zur Abgrenzung
Die Entscheidung des AG Hamburg-St. Georg reiht sich in eine Linie von Urteilen ein, die die Abgrenzung zwischen baulicher Veränderung und bloßer Gebrauchsregelung konkretisieren:
- AG Lübeck (Urteil v. 28.11.2008 – 35 C 122/08): Die Aufstellung eines fest installierten Fahrradständers mitsamt Plattenfläche und Entfernung von Bepflanzung wurde als bauliche Veränderung eingestuft, da Substanz und optischer Gesamteindruck der Anlage betroffen waren.
- OLG Zweibrücken (Beschl. v. 23.12.1999 – 3 W 198/99): Eine mobile Wäschespinne, die nur bei Bedarf in ein Bodenrohr gesteckt wurde, stellte dagegen keine bauliche Veränderung dar.
- AG München (Urteil v. 8.11.2017 – 485 C 12677/17): Ein saisonal genutztes Trampolin von 3 Metern Höhe und Durchmesser im Ziergarten war ebenfalls keine bauliche Veränderung, da es nicht fest mit dem Boden verbunden war.
- LG Hamburg (Urteil v. 27.01.2016 – 318 S 5/15): Ein von der Eigentümergemeinschaft genehmigtes Trampolin, das fest mit dem Boden verankert war, wurde hingegen als bauliche Veränderung gewertet – der Beschluss wäre daher nur einstimmig zulässig gewesen.
Diese Beispiele verdeutlichen: Entscheidend ist, ob eine Maßnahme fest mit dem Boden verbunden und dauerhaft angelegt ist oder ob es sich um eine reversible, zeitlich begrenzte Nutzung handelt.
Fazit
Das Urteil des AG Hamburg-St. Georg macht deutlich: Eine von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Maßnahme, die keine Substanzveränderung mit sich bringt und zudem zeitlich begrenzt ist, stellt keine bauliche Veränderung dar. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Gebrauchsregelung, die den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht.
Für die Praxis heißt das: Eigentümergemeinschaften können flexible und reversible Lösungen beschließen, solange Rücksicht auf die Interessen aller Beteiligten genommen wird. Subjektive Störempfindungen reichen nicht aus, um solche Beschlüsse erfolgreich anzufechten.
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