Legionellen in Nachbarwohnung: Kein Recht auf Mietminderung bei unterschrittenem Grenzwert

Der Fall: Legionellenbefund in Nachbarwohnungen
In einem Mehrfamilienhaus in Südhessen wurden bei einer routinemäßigen Untersuchung im November 2022 in zwei Wohnungen Legionellenkonzentrationen von über 100, aber unter 1.000 KbE (koloniebildende Einheiten) je 100 ml festgestellt. Weitere Untersuchungen in den Folgejahren ergaben keine abweichenden Werte.
Mieter einer benachbarten, nicht direkt betroffenen Wohnung minderten daraufhin ihre Miete um 25 Prozent. Sie beriefen sich auf ein gesteigertes Risiko für ihre Gesundheit. Die Vermieterin akzeptierte die Minderung nicht und klagte auf Zahlung der einbehaltenen Miete.
Entscheidung des Amtsgerichts
Das AG Langen stellte klar:
- Kein Mietmangel ohne konkrete Gesundheitsgefahr: In der Wohnung der Mieter selbst wurde kein Legionellenbefall festgestellt. Damit fehle es an einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit.
- Grenzwerte der Trinkwasserverordnung maßgeblich: Nach der Trinkwasserverordnung ist ab einer Konzentration von 1.000 KbE/100 ml von einer Gesundheitsgefahr auszugehen, die Maßnahmen erfordert. Werte darunter gelten zwar als auffällig, aber nicht als gesundheitsgefährdend.
- Nachbarwohnung nicht ausreichend: Selbst wenn in anderen Wohnungen erhöhte Werte auftreten, begründet das für unbeteiligte Mieter noch keinen Mietmangel, solange der maßgebliche Grenzwert nicht überschritten ist.
Die Mietminderung von 25 Prozent war daher unzulässig.
Einordnung in die Rechtsprechung
Die Entscheidung des AG Langen fügt sich in eine differenzierte Rechtsprechung ein:
- Minderung gerechtfertigt bei hoher Belastung: Das AG Dresden (Urt. v. 11.11.2013 – 148 C 5353/13) hielt eine Mietminderung von 25 % für zulässig, nachdem in einer Wohnung Werte von bis zu 14.000 KbE/100 ml festgestellt wurden – weit über dem Grenzwert.
- Keine Minderung bei bloßer Grenzwertüberschreitung: Das AG Dresden (Urt. v. 16.2.2023 – 143 C 2593/22) entschied, dass eine Überschreitung des Grenzwerts allein nicht ausreicht, wenn keine konkrete Gesundheitsgefahr nachweisbar ist.
- LG Berlin (Urt. v. 17.6.2021 – 67 S 17/21): Schon eine Überschreitung des Grenzwerts auf 3.700 KbE rechtfertige eine 10-prozentige Mietminderung, da die „begründete Besorgnis einer Gesundheitsgefahr“ bestehe.
- AG Köln (Urt. v. 15.5.2019 – 201 C 177/17): Bei Werten zwischen 100 und 1.000 KbE sah das Gericht eine Mietminderung von 20 % als möglich an.
- AG München (Urt. v. 25.6.2014 – 452 C 2212/14): Hier nahm das Gericht eine Gesundheitsgefahr erst ab einer Konzentration von 10.000 KbE an.
Die Rechtsprechung zeigt: Die Bewertung hängt stark vom Einzelfall, vom gemessenen Wert und von der Frage ab, ob die betroffene Wohnung unmittelbar belastet ist.
Vermieterpflichten und Mieterrechte
- Pflicht zur Untersuchung: Nach der Trinkwasserverordnung müssen zentrale Warmwasseranlagen in Mehrfamilienhäusern mindestens alle drei Jahre auf Legionellen untersucht werden.
- Informationspflicht: Vermieter müssen Mieter über die Ergebnisse informieren und bei Überschreitung von Grenzwerten Maßnahmen ergreifen.
- Betriebskosten: Die Kosten für die Pflichtuntersuchungen sind umlagefähig (§ 2 Nr. 2 BetrKV). Kosten für Ursachenforschung und Beseitigung eines Befalls trägt dagegen der Vermieter.
Fazit
Das Urteil des AG Langen verdeutlicht: Nicht jeder Legionellenbefund rechtfertigt eine Mietminderung. Entscheidend ist, ob die eigene Wohnung konkret betroffen ist und ob eine Gesundheitsgefahr oberhalb der Schwelle von 1.000 KbE/100 ml besteht. Für Mieter heißt das, dass bloße Verdachtsmomente oder Befunde in Nachbarwohnungen nicht ausreichen, um die Miete zu kürzen.
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