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Verfällt das Wohnrecht auf Lebenszeit beim Umzug ins Pflegeheim?

Das lebenslange Wohnrecht ist im deutschen Zivilrecht ein starkes Sicherungsinstrument. Doch was passiert, wenn der Berechtigte nicht mehr in der Lage ist, die Immobilie selbst zu nutzen und in ein Pflegeheim zieht? Verlieren Erben oder neue Eigentümer dadurch automatisch die Bindung? Mehrere Gerichte haben diese Frage bereits entschieden, und die Antwort fällt für Wohnberechtigte erfreulich klar aus.

Nahaufnahme einer älteren Hand mit Ring, die einen Gehstock hält

Grundlagen: Wohnrecht nach § 1093 BGB

Ein Wohnrecht (§ 1093 BGB) ist eine besondere Form der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Es erlaubt einer bestimmten Person, eine Immobilie oder einen Teil davon lebenslang zu bewohnen, meist ohne Zahlung einer Miete. Typischerweise wird es zugunsten von Eltern bestellt, wenn diese ihre Immobilie an Kinder übertragen.

Das Wohnrecht wird im Grundbuch eingetragen und ist damit dinglich gesichert. Es erlischt nach dem Gesetz grundsätzlich erst mit dem Tod des Berechtigten, nicht etwa mit einem Auszug.

Rechtsprechung: Kein automatisches Erlöschen bei Pflegebedürftigkeit

Persönliches Ausübungshindernis reicht nicht aus

Mehrere Oberlandesgerichte haben entschieden, dass ein Umzug ins Pflegeheim das Wohnrecht nicht automatisch beendet.

  • OLG Schleswig-Holstein (Urteil v. 02.01.2007, 3 U 116/06): Ein bloß persönliches Hindernis, z. B. Pflegebedürftigkeit, lässt das Wohnrecht nicht entfallen. Der Berechtigte könnte jederzeit zurückkehren.
     
  • OLG Saarbrücken (Beschluss v. 05.08.2010, 5 W 175/10-65): Selbst ein dauerhafter Aufenthalt in einem Heim genügt nicht, solange eine Rückkehr nicht objektiv ausgeschlossen ist.

Ausnahme: Dauerhafte Unmöglichkeit

Anders kann es aussehen, wenn eine Rückkehr aus medizinischen oder rechtlichen Gründen objektiv ausgeschlossen ist, etwa bei einer vollständigen Beatmungspflicht oder wenn die Immobilie unbewohnbar geworden ist. Nur in solchen Ausnahmefällen kann ein Wohnrecht vorzeitig entfallen.

Kein Verstoß gegen das Schikaneverbot

Auch das LG Lübeck (Urteil v. 07.12.2022, 10 O 101/22) stellte klar: Die bloße Aufrechterhaltung des Wohnrechts verstößt nicht gegen § 242 BGB (Schikaneverbot). Selbst wenn der Eigentümer die Räume nicht vermieten kann, bleibt das Recht bestehen, solange der Berechtigte nicht zustimmt.

Praktische Folgen für Eigentümer und Erben

Für Grundstückseigentümer kann ein eingetragenes Wohnrecht erhebliche wirtschaftliche Einschränkungen bedeuten:

  • Verkauf erschwert: Immobilien mit Wohnrecht lassen sich schwerer verkaufen und erzielen meist einen geringeren Kaufpreis.
     
  • Zwischenvermietung blockiert: Ohne Zustimmung des Berechtigten ist eine Vermietung in der Regel ausgeschlossen.
     
  • Löschung nur im Einvernehmen: Eine Löschung erfordert die Zustimmung des Wohnberechtigten oder eine gerichtliche Entscheidung, wenn die Ausübung dauerhaft unmöglich ist.

Risiko Sozialregress: Vorsicht beim Verzicht

Ein Verzicht auf das Wohnrecht ist nicht unproblematisch. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass die Aufgabe des Wohnrechts als Schenkung gilt (BGH, Beschluss v. 25.01.2012, XII ZB 479/11).

Im Fall späterer Bedürftigkeit kann der Sozialhilfeträger diese Schenkung nach § 528 BGB zurückfordern. Damit droht eine finanzielle Belastung für die Angehörigen oder den Erwerber der Immobilie.

Weitere Gründe für das Ende eines Wohnrechts

Neben dem Tod des Berechtigten gibt es nur wenige Fälle, in denen ein Wohnrecht endet:

  • Zwangsversteigerung: Das Recht erlischt, wenn es im Rang nach dem Gläubigerrecht steht.
     
  • Zerstörung der Immobilie: Bei vollständiger Unbewohnbarkeit ist das Recht gegenstandslos.
     
  • Vertragliche Befristung oder Bedingung: Manche Wohnrechte sind zeitlich begrenzt oder an Klauseln geknüpft (z. B. Wiederverheiratungsklausel).

Alternative: Nießbrauch statt Wohnrecht

In der Praxis kann ein Nießbrauch flexibler sein als ein Wohnrecht. Während das Wohnrecht nur die Eigennutzung erlaubt, kann der Nießbraucher die Immobilie auch vermieten und die Mieteinnahmen behalten. Das schafft finanzielle Spielräume, etwa um Pflegekosten zu decken.

Fazit

  • Das lebenslange Wohnrecht bleibt in der Regel auch bei einem Umzug ins Pflegeheim bestehen.
     
  • Ein bloßer Auszug oder eine Heimunterbringung gilt nur als subjektives Ausübungshindernis, nicht als Erlöschensgrund.
     
  • Eigentümer und Erben können eine Löschung nur erreichen, wenn die Ausübung objektiv dauerhaft unmöglich ist oder im Einvernehmen mit dem Berechtigten.
     
  • Für Wohnberechtigte ist das Wohnrecht ein starkes Instrument der Altersvorsorge, für Eigentümer hingegen oft eine erhebliche Belastung.
     
  • Wer Immobilien überträgt, sollte daher sorgfältig prüfen, ob ein Nießbrauch anstelle eines Wohnrechts sinnvoller ist.

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