Landgericht Berlin begrenzt Anbietpflicht des Vermieters bei Eigenbedarfskündigung
Der Fall: Ein Vermieter hatte seinem Mieter, der seit 1987 ein Einfamilienhaus in Berlin-Neukölln bewohnte, wegen Eigenbedarfs zugunsten seines Sohnes gekündigt. Der Mieter widersprach der Kündigung und machte geltend, der Sohn könne auch eine leerstehende Wohnung des Vermieters in Berlin-Mariendorf beziehen. Das Amtsgericht Neukölln gab der Räumungsklage des Vermieters statt.
In der Berufung vor dem Landgericht Berlin berief sich der Mieter insbesondere auf einen Verstoß gegen die Anbietpflicht. Der Vermieter sei verpflichtet, ihm die leerstehende Wohnung in Mariendorf als Ersatz anzubieten. Dabei müsse es dem Mieter selbst überlassen bleiben, ob er eine Alternativwohnung als geeignet ansehe. Die Anbietpflicht erstrecke sich auf den gesamten Wohnungsbestand des Vermieters.
Die Entscheidung: Das Landgericht Berlin wies die Berufung des Mieters zurück. Zwar müsse ein Vermieter nach einem Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe vom 27. Januar 1993 dem Mieter eine Ersatzwohnung anbieten, wenn eine Wohnung im selben Hausanwesen frei sei oder werde. Die Anbietpflicht sei jedoch nicht auf den gesamten Wohnungsbestand des Vermieters zu erweitern.
Maßgeblich für die Anbietpflicht sei, dass der Vermieter die sozial unerwünschten Folgen einer Kündigung abmildern müsse, soweit ihm dies möglich sei. Der Verlust der Wohnung bedeute meist nicht nur den Verlust der Räumlichkeiten, sondern auch eine räumliche Veränderung mit Auswirkungen auf soziale Kontakte und Infrastruktur. Diese zusätzliche Härte könne der Vermieter durch das Angebot einer ortsnahen Ersatzwohnung abfangen.
Eine "uferlose Anbietpflicht" für den gesamten Wohnungsbestand lehnte das Gericht aber ab. In Berlin gelte die Anbietpflicht allenfalls für einen Einzugsbereich, der in etwa einem Ortsteil entspreche. Da die gekündigte Wohnung in Neukölln-Rudow, die Alternativwohnung aber in Tempelhof-Mariendorf lag, bestehe keine Anbietpflicht.
Verfassungsrechtliche Überprüfung: Der Berliner Verfassungsgerichtshof sah in dieser Entscheidung keinen Verfassungsverstoß. Zwar sei auch das Besitzrecht des Mieters von der Eigentumsgarantie des Art. 23 der Berliner Verfassung geschützt. Bei der Anwendung des § 564b BGB müssten die Gerichte die Interessen von Vermieter und Mieter angemessen berücksichtigen und verhältnismäßig abwägen.
Die vom Landgericht vorgenommene räumliche Begrenzung der Anbietpflicht missachte aber nicht unverhältnismäßig das Bestandsinteresse des Mieters. Das Landgericht habe berücksichtigt, dass der Verlust der Wohnung typischerweise mit Veränderungen hinsichtlich sozialer Kontakte und Infrastruktur einhergehe, die der Vermieter durch eine ortsnah angebotene Ersatzwohnung abfangen könne und müsse. Damit habe es das Bestandsinteresse des Mieters in verfassungsrechtlich tragfähiger Weise gewürdigt und mit dem Erlangungsinteresse des Vermieters abgewogen.
Fazit: Das Urteil des Landgerichts Berlin zeigt, dass die Anbietpflicht des Vermieters bei einer Eigenbedarfskündigung nach § 564b BGB ihre Grenzen hat. Sie erstreckt sich nicht unbegrenzt auf den gesamten Wohnungsbestand, sondern ist räumlich auf Wohnungen im selben Haus oder allenfalls im näheren Umkreis beschränkt.
Maßgeblich ist, dass der Vermieter die mit einem Wohnungsverlust typischerweise einhergehenden Härten für den Mieter soweit wie möglich abmildern muss. Dazu kann er durch das Angebot einer Alternativwohnung in räumlicher Nähe beitragen. Eine "uferlose" Anbietpflicht für alle Wohnungen des Vermieters besteht aber nicht.
Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat diese Abwägung zwischen Mieter- und Vermieterinteressen gebilligt. Die räumliche Begrenzung der Anbietpflicht verstößt nicht gegen die Eigentumsgarantie der Berliner Verfassung (Art. 23), solange die Gerichte das Bestandsinteresse des Mieters angemessen berücksichtigen und mit dem Erlangungsinteresse des Vermieters verhältnismäßig in Ausgleich bringen. Das war hier der Fall.
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