Landgericht stoppt irreführende Risikoeinstufung bei Immobilienfonds

Worum ging es?
Der betroffene Fonds investiert überwiegend in Wohnimmobilien und richtet sich maßgeblich an Kleinanleger. Im Basisinformationsblatt (KID) wurde der Fonds zunächst mit einem Gesamtrisikoindikator von 2 („niedrig“) und später mit 3 („mittelniedrig“) ausgewiesen.
Strittig war die Auslegung der EU-Verordnung Nr. 1286/2014 über verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP-VO) sowie der ergänzenden Delegierten Verordnung (EU) 2017/653 (DelVO). Nach diesen Regelwerken müssen Fonds einen Risikoindikator ausweisen, der sich an der Häufigkeit der Preisfestsetzung und der Volatilität der Vermögenswerte orientiert.
Kern des Streits: Bewertung der Immobilien
Der Fondsanbieter argumentierte, dass börsentäglich ein Rücknahmepreis berechnet werde und dadurch faktisch eine tägliche Bewertung vorliege. Das Landgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte klar, dass eine tägliche Berechnung von Rücknahmepreisen nicht gleichbedeutend mit einer tatsächlichen Neubewertung des Nettoinventarwerts sei.
Nach Art. 3 DelVO und Anhang II Teil 1 Nr. 4 lit. c) müssen Vermögenswerte mindestens monatlich bewertet werden, um eine niedrigere Risikoklasse als 6 zu erreichen. Der Fonds ließ seine Immobilien jedoch nur quartalsweise bewerten. Damit fehle die notwendige Aktualität der Bewertungen.
Die Rücknahmepreise basierten auf veralteten Verkehrswerten und spiegelten das tatsächliche Marktrisiko nicht angemessen wider. Es fand keine aktuelle Marktwertanpassung statt, die das Risiko adäquat abbilden könnte. Folglich müsse der Fonds nach den regulatorischen Vorgaben in die Risikokategorie 6 eingestuft werden, der höchsten auf der Skala.
Täuschung der Anleger
Das Gericht stellte einen Verstoß gegen §§ 3, 3a, 5 Abs. 2 Nr. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) in Verbindung mit Art. 3 Nr. 1 und 2 DelVO fest. Durch die zu niedrige Risikobewertung wurde Anlegern ein sichereres Investment vorgegaukelt, als tatsächlich vorhanden war. Gerade Kleinanleger, die sich auf die Angaben im Basisinformationsblatt verlassen, wurden über ein wesentliches Merkmal des Produkts, das Risiko, getäuscht.
Konsequenzen des Urteils
Das Gericht bestätigte ein bereits ergangenes Versäumnisurteil und verpflichtete den Fondsanbieter zur Unterlassung der bisherigen Praxis. Der Fonds darf nicht länger mit einem Risikoindikator von 2 oder 3 beworben werden. Außerdem wurde der Anbieter zur Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 243,51 Euro an den klagenden Verbraucherschutzverband verurteilt.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Eine Berufung zum Oberlandesgericht Nürnberg wäre möglich, sofern der Streitwert 600 Euro übersteigt oder das Gericht die Berufung ausdrücklich zulässt.
Fazit
Das Urteil macht klar, dass eine bloße tägliche Berechnung von Rücknahmepreisen nicht ausreicht, um eine niedrigere Risikoklasse zu rechtfertigen. Entscheidend ist die tatsächliche Neubewertung der zugrunde liegenden Vermögenswerte, insbesondere bei illiquiden Anlageklassen wie Immobilien. Für Anbieter bedeutet dies, ihre Bewertungsprozesse kritisch zu überprüfen. Andernfalls riskieren sie Unterlassungsklagen und mögliche Reputationsschäden. Für Anleger bedeutet das Urteil einen Schritt zu mehr Transparenz und Schutz bei Investitionsentscheidungen.
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