Parken erlaubt: BGH weitet Notwegrecht für „gefangene“ Grundstücke aus

Symbolbild
Hintergrund: Streit unter Nachbarn
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war die Auseinandersetzung zweier Grundstücksnachbarn im Norden Deutschlands. Durch die Teilung eines ehemals einheitlichen Grundstücks war eine sogenannte „Hinterlieger“-Konstellation entstanden: Das vordere Grundstück der Kläger lag an einer öffentlichen Straße, während das hintere Grundstück der Beklagten, auf dem sich ein Doppelhaus befindet, keine eigene Anbindung mehr hatte. Die Beklagte vermietet ihre Haushälfte; eine Erschließung des Grundstücks ist nur über das vordere Grundstück möglich.
Die Kläger akzeptierten grundsätzlich das Bestehen eines Notwegrechts nach § 917 Abs. 1 BGB und duldeten daher die Nutzung ihrer Zufahrt – jedoch nicht zum Parken. Ihrer Ansicht nach sei der Zugang lediglich für das „Ankommen und Abfahren“ notwendig, nicht aber für das dauerhafte Abstellen von Fahrzeugen auf dem hinteren Grundstück.
Sie erhoben Klage auf Zahlung einer Notwegrente in Höhe von 267 Euro, beschränkt auf ein Notwegrecht ohne Parkberechtigung – hilfsweise 313 Euro, falls das Parken mitumfasst sei. Zudem wollten sie der Beklagten untersagen lassen, ihren Mietern das Parken über ihr Grundstück zu ermöglichen.
Instanzgerichte uneins – BGH stellt klar
Während das Landgericht Kiel die Klage weitgehend abwies und der Beklagten ein uneingeschränktes Notwegrecht gegen Zahlung der höheren Rente zusprach, schränkte das Oberlandesgericht Schleswig das Notwegrecht ein. Es erlaubte die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen nur dann, wenn das Parken im Einzelfall „zwingend notwendig“ sei – was in der Praxis zu erheblichen Auslegungsproblemen geführt hätte.
Der BGH hob diese Einschränkung nun auf. Er bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Kiel und stellte klar: Das Notwegrecht umfasst auch die Nutzung des fremden Grundstücks zur Zufahrt mit dem Pkw zum Zwecke des Parkens auf dem eigenen „gefangenen“ Wohngrundstück.
Begründung des BGH
Nach ständiger Rechtsprechung dient das Notwegrecht der Herstellung einer „ordnungsmäßigen Benutzung“ des Grundstücks (§ 917 Abs. 1 BGB). Dies umfasse regelmäßig die Erreichbarkeit mit dem Kraftfahrzeug – nicht nur zum Be- und Entladen, sondern auch zur täglichen Nutzung, etwa durch Mieter.
Der V. Zivilsenat betont: Es kommt nicht auf den Zweck der Zufahrt an. Wenn der Nachbar das Überfahren seines Grundstücks mit einem Pkw grundsätzlich dulden muss, könne er nicht verlangen, dass der Berechtigte sein Fahrzeug nicht auf dem eigenen Grundstück abstelle. Die Nutzung des eigenen Grundstücks – also auch das Parken – sei Teil der Eigentümerbefugnis nach § 903 Satz 1 BGB.
Zudem führe eine Einschränkung des Notwegrechts zu Parkzwecken zu „erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten“ und gefährde die Rechtssicherheit. Es sei unklar, wann eine Fahrt „nur zum Be- und Entladen“ oder „auch zum Parken“ erfolge – das lasse sich kaum objektiv feststellen.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil hat erhebliche Bedeutung für Grundstückseigentümer, die nur über ein fremdes Grundstück eine Zufahrt haben – sei es in gewachsenen Siedlungsstrukturen, bei Nachverdichtung oder nach Grundstücksteilungen. Es schafft Rechtssicherheit und beseitigt eine bislang häufige Streitfrage im Nachbarrecht.
Die Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass grenzenlos geparkt werden darf: Selbstverständlich ist nur das Parken auf dem eigenen Grundstück erlaubt, nicht etwa das Abstellen von Fahrzeugen auf dem fremden Grundstück des Nachbarn.
Höhe der Notwegrente bleibt Einzelfallfrage
Auch wenn der BGH die Nutzungserweiterung anerkennt, bleibt die Höhe der hierfür geschuldeten Notwegrente weiterhin vom Einzelfall abhängig (§ 917 Abs. 2 BGB). Im konkreten Fall akzeptierte die Beklagte die Zahlung von 313 Euro jährlich – ein Betrag, den das Landgericht ursprünglich zugesprochen hatte und den der BGH nun wiederherstellte.
Fazit
Mit dem Urteil vom 14. März 2025 (Az. V ZR 79/24) stellt der Bundesgerichtshof klar: Wer ein „gefangenes“ Wohngrundstück besitzt, darf das Notwegrecht auch zur Zufahrt mit dem Pkw nutzen – einschließlich des Parkens auf dem eigenen Grundstück. Die Entscheidung knüpft an die bisherige Rechtsprechung an (z. B. BGH, Urt. v. 12.12.2008 – V ZR 106/07) und differenziert weiter zur Nutzung intensiverer Natur bei gewerblich genutzten Grundstücken. Die grundsätzliche Erweiterung der Nutzung zum Parken ist jedoch auf Wohnzwecke beschränkt und wird nicht auf „gefangene“ Garagen auf vorderseitig erschlossenen Grundstücken übertragen (vgl. BGH, V ZR 262/20; V ZR 51/24).
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