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Virtuelle Eigentümerversammlungen werden Realität

Mit der Einführung des neuen § 23 Abs. 1a WEG am 17. Oktober 2024 wurde ein bedeutender Meilenstein in der Digitalisierung des Wohnungseigentumsrechts erreicht. Nach einem intensiven Gesetzgebungsverfahren, das im Mai 2023 mit dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums seinen Anfang nahm, können Wohnungseigentümergemeinschaften nun erstmals vollständig virtuelle Versammlungen durchführen. Diese Neuerung ergänzt die bereits bestehenden Formate der klassischen Präsenzversammlung und des hybriden Modells.

Person tippt auf einem Laptop, während sie an einem Tisch sitzt.

Die Legitimation virtueller Versammlungen erfordert einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss, bei dem mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen zustimmen müssen. Wichtig dabei ist, dass nicht die Gesamtzahl aller Eigentümerstimmen maßgeblich ist, sondern nur die in der Abstimmung tatsächlich abgegebenen Stimmen. Der Beschluss kann für einen Zeitraum von maximal drei Jahren gefasst werden und bietet den Gemeinschaften zwei unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten: Entweder wird festgelegt, dass Versammlungen zwingend virtuell stattfinden müssen, oder es wird dem Verwalter die Flexibilität eingeräumt, das Format je nach Situation zu wählen.

Der Gesetzgeber hat dabei den Minderheitenschutz nicht aus den Augen verloren. Eine wichtige Übergangsregelung in § 48 Abs. 6 WEG schreibt vor, dass bis einschließlich 2028 mindestens eine Präsenzversammlung pro Jahr durchgeführt werden muss. Diese Verpflichtung kann nur durch einen einstimmigen Beschluss der Eigentümer aufgehoben werden. Interessanterweise führt ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zur Unwirksamkeit der in virtuellen Versammlungen gefassten Beschlüsse.

Die technische Umsetzung virtueller Versammlungen muss hohen Standards genügen. Das Gesetz verlangt ausdrücklich, dass die Rechteausübung der Eigentümer in der virtuellen Versammlung mit der einer Präsenzversammlung vergleichbar sein muss. Dies betrifft alle wesentlichen Teilhaberechte, von der grundsätzlichen Teilnahmemöglichkeit über das Recht, Anträge zu stellen und sich an Diskussionen zu beteiligen, bis hin zur Stimmabgabe. Die dafür erforderliche technische Infrastruktur muss von der WEG als Verwaltungskosten getragen werden.

Für Verwalter bedeutet die Gesetzesänderung sowohl neue Möglichkeiten als auch zusätzliche Verantwortung. Sie müssen nicht nur die technische Durchführung gewährleisten, sondern auch sicherstellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt werden. Für diesen erhöhten Aufwand können sie eine angemessene zusätzliche Vergütung vereinbaren. Wichtig ist auch, dass Beschlüsse über hybride und virtuelle Versammlungsformate aufgrund unterschiedlicher Mehrheitserfordernisse getrennt gefasst werden müssen.

Die Eigentümer selbst stehen vor der Herausforderung, sich auf das digitale Format einzustellen. Anders als früher können sie die Einführung virtueller Versammlungen nicht mehr durch ihre fehlende Zustimmung blockieren, wenn eine qualifizierte Mehrheit dafür stimmt. Sie müssen sich eigenverantwortlich um ihre technischen Zugangsmöglichkeiten kümmern oder die Option nutzen, durch Stimmrechtsvollmacht an der Willensbildung teilzunehmen. Diese neue Regelung trägt der fortschreitenden Digitalisierung in der Gesellschaft Rechnung, da mittlerweile die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Zugang zu digitalen Kommunikationsmitteln hat.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Vergleichbarkeit der Rechteausübung. Die virtuelle Versammlung muss technisch so ausgestaltet sein, dass sie einer Präsenzveranstaltung in nichts nachsteht. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit zur aktiven Teilnahme an Diskussionen, was über reine Chat-Funktionen hinausgehen muss. Diese Anforderung hat auch Auswirkungen auf bereits bestehende hybride Versammlungsformate: Beschlüsse, die die Rechte von online teilnehmenden Eigentümern einschränken, dürften künftig erfolgreich anfechtbar sein.

Für die praktische Umsetzung bedeutet dies, dass Verwalter sich intensiv mit der technischen Infrastruktur auseinandersetzen müssen. Der Versammlungsort ist dabei das "Cyberspace", wobei es den Eigentümern freisteht, sich an verschiedenen physischen Orten zu treffen und gemeinsam teilzunehmen. Die Gemeinschaft kann hierfür auch Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, verpflichtend ist dies jedoch nicht.

Bezogen auf die gesetzlich vorgeschriebene jährliche Präsenzversammlung bis 2028 gibt es noch Diskussionsbedarf. Unklar ist beispielsweise, ob eine Versammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" ausreicht oder ob substanzielle Beschlussgegenstände erforderlich sind. Praktiker empfehlen, wichtige Tagesordnungspunkte wie Verwalter- und Beiratsentlastungen oder Wirtschaftsplanberatungen für die Präsenzversammlung aufzusparen.

Die neue Gesetzgebung markiert einen wichtigen Schritt in die digitale Zukunft des Wohnungseigentumsrechts. Sie bietet Wohnungseigentümergemeinschaften die Möglichkeit, ihre Versammlungen flexibler und zeitgemäßer zu gestalten, ohne dabei den Schutz der Eigentümerrechte zu vernachlässigen. Die Praxis wird zeigen, wie sich die verschiedenen Versammlungsformate entwickeln und welche Kombination sich als optimal erweist.

Für alle Beteiligten – Verwalter, Eigentümer und Verwaltungsbeiräte – bedeutet die Neuregelung zunächst eine Phase der Anpassung und des Lernens. Der Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, wie gut es gelingt, die technischen Möglichkeiten zu nutzen und gleichzeitig die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Die Übergangszeit bis 2028 bietet dabei genügend Raum, um Erfahrungen zu sammeln und Best Practices zu entwickeln.
 

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